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Martin Sjardijn (geboren 1947) ist ein niederländischer Künstler, anerkannt als bildender Künstler, Schriftsteller, Dichter und Philosoph. Sein Werk zeichnet sich durch einen tiefgreifenden interdisziplinären Ansatz aus, der Kunst, Wissenschaft und Technologie zusammenführt, um grundlegende Fragen nach Realität, Wahrnehmung und der menschlichen Erfahrung zu erforschen.

Leben und Ausbildung

Martin Sjardijn absolvierte seine künstlerische Ausbildung an der Vrije Academie in Den Haag von 1966 bis 1968, gefolgt von einem Studium an der Koninklijke Academie van Beeldende Kunsten in Den Haag von 1968 bis 1973. Seine intellektuelle Entwicklung wurde durch sein Studium der Kulturwissenschaften an der Open Universiteit von 1978 bis 1981 vertieft, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Philosophie und Literatur. Dieser kombinierte akademische Hintergrund legte den Grundstein für seine Fähigkeit, Ästhetik mit theoretischer Reflexion zu verbinden, wodurch er versucht, die traditionelle Kluft zwischen Kunst und Wissenschaft zu überbrücken.

Philosophie: Totaler Idealismus

Ein zentrales Konzept in Martin Sjardijns Denken ist sein „Totaler Idealismus“. Dieses Konzept wird in seinen philosophischen Texten und Gedichten behandelt, die oft von zeitgenössischer Philosophie und Physik inspiriert sind. Der „Totale Idealismus“ kann in die breitere philosophische Tradition des Idealismus eingeordnet werden, die postuliert, dass die Realität primär mental oder bewusstseinsbasiert ist und dass Ideen die höchste Form der Realität darstellen.

Sjardijns künstlerische Projekte sind direkte Manifestationen dieser philosophischen Position. Sein Streben nach „immaterieller neuer Objektivität“ und „Meta-Realität“ im „Außen- und Cyberraum“ sowie sein Fokus auf „gewichtlose Skulptur“ spiegeln eine Bewegung über konventionelle materielle Formen hinaus in einen rein konzeptionellen oder idealen Raum wider. Das „Null der 3D-Form“ in seinem Projekt „Black Box“ kann philosophisch als Übergang in einen Bereich interpretiert werden, in dem die physische Primatstellung aufgegeben wird.

Konzeptuelle Kunstprojekte

Sjardijns philosophische Ideen finden ihren konkretesten Ausdruck in seinen konzeptuellen Kunstprojekten, die oft die Grenzen traditioneller Medien überschreiten und neue technologische Möglichkeiten nutzen.

Das Projekt „Gewichtlose Skulptur“ („A Line in Outer Space“)

Seit 1985 arbeitet Sjardijn an dem Projekt „A Line in Outer Space – Visible from Earth – With the naked eye – At clear nights“. Dieses Projekt umfasst die Schaffung von Skulpturen, die in Schwerelosigkeit rotieren, idealerweise innerhalb von CubeSats (kleinen Satelliten), und die dann weltweit über das Internet kommuniziert werden. Die ersten Präsentationen fanden 1986 im Gemeentemuseum in Den Haag statt, begleitet von einer Animation mit dem Titel „Leeg Vierkant 1986“ (Leeres Quadrat 1986), die in Zusammenarbeit mit dem Astronomen Dr. Wim Bijleveld und dem Planetariumcomputer Digistar im Omniversum entstand.

Sjardijns Interesse an schwereloser Skulptur, das 1984 entstand, führte ab 1990 zu umfangreichen Experimenten mit virtueller Realität (VR) an der Technischen Universität Delft. Unter der Aufsicht von Prof. Erik Jansen und Jouke Verlinden experimentierte er mit Head Mounted Displays und taktilen Force-Feedback-Datenhandschuhen. Mit dem Aufkommen des Internets vertiefte er sich weiter in interaktive Virtual Reality, 3D-Drucktechniken und Robotik. Im Jahr 2000 entwickelte er ein interaktives virtuelles Museum für das Groninger Museum, und zwischen 2010 und 2014 schuf er die interaktive Installation „Elements“. Sein letztendliches Ziel ist es, 3D-gedruckte Skulpturen in Schwerelosigkeit innerhalb eines CubeSats zu platzieren, die dann von einer internen Kamera beobachtet und weltweit über das Internet geteilt werden. Das Projekt symbolisiert eine „Meta-Realität“ und einen „neuen immateriellen globalen Realismus“, wobei Schwerelosigkeit als Metapher für die Überwindung materieller Grenzen fungiert.

Black Box

„Black Box“ ist ein weiteres bedeutendes Projekt, das Sjardijns Denken verkörpert. Dieses Werk wird explizit als „räumlicher Nachfolger von Malewitschs 'Schwarzem Quadrat'“ beschrieben. Das Projekt beginnt „von Null, in Null, über virtuelle Realität zu den ersten außerirdischen schwerelosen Skulpturen“. Die Absicht ist es, „über das Null der 3D-Form hinauszugehen und aus dem Nichts zu einer Linie zu entstehen, das heißt, zur Meta-Realität, zum neuen immateriellen globalen Realismus im Außen- und Cyberraum zur virtuellen und außerirdischen Schöpfung“. Sjardijn erweitert Malewitschs Konzept des „Null“ auf den digitalen und außerirdischen Bereich, mit dem Ziel, „die Erfahrung immaterieller neuer Objektivität in der Leere eines befreiten Kulturraums“ zu ermöglichen. „Black Box“ ist eine radikale Neuinterpretation der modernistischen Abstraktion für das 21. Jahrhundert, die die physische Form abwirft und die immaterielle und vernetzte Natur fortschrittlicher Technologie und des virtuellen Raums umarmt.

Symbiose von Kunst, Wissenschaft und Technologie

Martin Sjardijn hat eine Pionierrolle in der Entwicklung der digitalen Kunst und der interaktiven virtuellen Realität gespielt. Sein Engagement für Technologie ist nicht nur instrumentell; es ist ein integraler Bestandteil seiner philosophischen Erforschung der Natur der Realität und der Wahrnehmung. Ab den 1980er Jahren begann er, neue Technologien zu erforschen und war einer der ersten, der an der Technischen Universität Delft mit VR experimentierte.

Diese Pionierrolle war durch verschiedene interdisziplinäre Kooperationen gekennzeichnet, wie zum Beispiel mit dem Astronomen Dr. Wim Bijleveld bei der Animation „Leeg Vierkant“ (1986). Seine VR-Experimente an der TU Delft, die 1990 begannen, waren bahnbrechend. Sein ArtSpaceLab-Projekt umfasst eine virtuelle Ausstellung und einen Vorschlag für ein Kunstprojekt auf der Internationalen Raumstation (ISS).

Sjardijn reflektiert tiefgehend über die sich verändernde Beziehung zwischen Mensch, Kunst und Technologie. Seine Arbeit mit VR ermöglicht es ihm, Bilder als „kontextloser als je zuvor und autonomer als zuvor“ wahrzunehmen, was er als sein „Erbe von Francis Bacon“ betrachtet. Dies deutet darauf hin, dass Sjardijn mit VR einen ähnlichen Effekt der Isolation und Intensivierung des visuellen Erlebnisses wie Bacon erzielt, jedoch durch technologische Mittel. Er betrachtet Technologie, insbesondere VR, nicht nur als Instrument zur Schaffung neuer Formen, sondern als philosophisches Werkzeug, das die Beziehung zwischen dem Kunstwerk, seinem Kontext und dem Betrachter grundlegend verändert.

Künstlerische Praxis und philosophische Grundlagen

Obwohl Martin Sjardijn ein Pionier der digitalen Kunst und fortschrittlicher Technologien ist, kehrte er 2011 auch zur Malerei zurück. Sein Ansatz in der Malerei ist prozessorientiert: „Wenn ich male, möchte ich von Pinsel, Tinte, Farbe, Leinwand und der Bewegung meiner Hand überrascht werden. Leinwand, Pinsel, Farbe und Tinte haben ihre eigene Stärke und Intelligenz. Das Einzige, was ich tun möchte, ist, ein Thema als Ausgangspunkt festzulegen. Auf dieser Grundlage kann der Prozess stattfinden.“ Er betrachtet die Spannung zwischen „Krise und Zufall“ sogar als „Geschenk“. Dieser Ansatz, inspiriert von Francis Bacon und Tracey Emin, kontrastiert mit der Präzision und Kontrolle, die oft mit seinen digitalen Projekten verbunden sind, offenbart aber eine tiefere Philosophie, die die Grenzen der Autonomie erforscht.

Seine künstlerische Praxis verkörpert somit eine raffinierte philosophische Suche nach dem Zusammenspiel von menschlicher Absicht, technologischen Möglichkeiten und den inhärenten Eigenschaften von Materialien und Prozessen. Trotz seines Fokus auf Technologie und abstrakte Konzepte bleibt der Mensch die zentrale Inspirationsquelle in seinem Werk. Er erforscht auch Aktstudien und direkte Aktionen und verankert seine abstrakten und technologischen Erkundungen in universellen Themen.

Publikationen und Präsentationen

Martin Sjardijn verbreitet seine Gedanken nicht nur durch seine Kunstwerke, sondern auch durch schriftliche Publikationen und öffentliche Präsentationen. Er schreibt philosophische Texte über sein Konzept des „Totalen Idealismus“ und Gedichte, die von zeitgenössischer Philosophie und Physik inspiriert sind. Eine spezifische akademische Publikation, die ihm zugeschrieben wird, ist „Digital Technologies and Fine Art - A complex relationship“ (2012), veröffentlicht in AR[t]. Den Haag: Royal Academy of Art.

Eine bedeutende öffentliche Artikulation seiner Ideen fand während seiner TEDxTheHague-Präsentation im Jahr 2011 statt, die den Titel „Earth is Done“ trug. In dieser Präsentation erörterte Sjardijn seinen ehrgeizigen Traum, kleine, 3D-gedruckte Skulpturen in Schwerelosigkeit innerhalb eines CubeSats zu platzieren und diese weltweit über das Internet zu kommunizieren. Der Titel „Earth is Done“ suggeriert eine philosophische Position über die Grenzen oder die wahrgenommene Vollendung irdischer Kunst und die Notwendigkeit, darüber hinauszugehen. Die Präsentation fungiert als ein mächtiges öffentliches Manifest, das Sjardijns Überzeugung demonstriert, dass die Zukunft der Kunst jenseits der Grenzen der Erde liegt.